Isländische Musik - Unter der Spitze des Eisberges
Lese hier einen spannenden Gastbeitrag über isländische Musik von Philip und Steffi, welche den sympatischen Musikblog tónlist.de betreiben. Hier im Artikel stellen die beiden drei ausgewählte Indiebands direkt von der rauhen Atlantikinsel vor, welche demnächst auch in Deutschland auftreten werden. Auf ihrem Blog findest Du viele weitere Beiträge zum Thema isländische Indiemusik in deutscher und englischer Sprache. Los geht´s:
Vök @Iceland Airwaves Festival 2015 © Philip Klinger Photography
Island verbindet man natürlich mit Vulkanen, Gletschern und umwerfenden Landschaften - zu Recht. Danach vielleicht mit Papageientauchern und Nordlichtern. Oder Schafen und Fischerei. Musikalisch verbinden die meisten die kleine Insel im Nordatlantik mit Björk, Sigur Rós und Of Monsters and Men. Aber es ist wie mit den Eisbergen in der Gletscherlagune Jökulsárlon: wenn man mehr als die Spitze des Eisberges sehen will, muss man ins (kalte) Wasser springen und abtauchen. Vorsicht, metaphorisch! Bitte nicht in den Jökulsárlon springen! ;-)
Aber ein Sprung tief hinein in die isländische Musikszene lohnt sich! Ob es an den langen Wintern liegt, in denen man vor allem drinnen hocken muss wenn es draußen stürmt und dunkel ist. Vielleicht auch an der einzigartigen Natur oder daran, dass jeder irgendwie jeden kennt, zumindest über ein paar Ecken. Die Kreativität und die Experimentierfreudigkeit, mit der uns isländische Bands immer und immer wieder überraschen und begeistern, ist überwältigend und vielleicht weltweit einzigartig für eine Ansammlung von gerade einmal etwa 330 000 Menschen.
Júníus Meyvant @Secret Solstice Festival 2015 © Birta Rán Photography
Da gibt es experimentelle Elektro-Space-Trip-Ein-Frau-Projekte, zehnköpfige Reggae-Combos, eine Rockband, deren Stil man am ehesten als Church Metal beschreiben könnte oder feministische Hi-Hop Gruppen. Indie ist Mainstream in Island. Aber so empfehlenswert es ist, man muss nicht unbedingt auf die Insel fliegen, um sich von der Musik in den Bann ziehen zu lassen. Tónlist.de hat für euch ein paar Tipps für isländische Indie-Acts auf Lager, die Ihr in nächster Zeit auch in Deutschland bewundern könnt:
Júníus Meyvant
Da wäre z.B. der Singer-Songwriter Júníus Meyvant. Unter seinem bürgerlichen Namen Unnar Gísli Sigurmundsson auf Vestmannaeyjar geboren, ist er inzwischen einer der beachtenswertesten neuen Musiker Islands. Beweis? Bester Newcomer und mit “Color decay” außerdem bester Pop-Song des Jahres 2015 bei den Icelandic Music Awards. Für seinen unbeschwerten, wunderschönen Feel-Good-Folk-Pop Sound betreiben er und seine Band einigen Aufwand. Da stehen dann schon mal zehn (ausgezeichnete) Musiker und Musikerinnen auf der Bühne, darunter Blechbläser und Streicher. Dazu kommen verträumte, melancholische, hoffnungsvolle Lyrics, vorgetragen von der großartigen Stimme Júníus Meyvants. Die Songs sind abwechslungsreich und voller Überraschungen und schweben, erst recht wenn die herausragenden Bläserarrangements wie beispielsweise bei “Color decay” einsetzen, über Alles erhaben im Raum. Leichtigkeit. Schwerelosigkeit. Schlechte Laune gehabt heute? “Stay on the sunny side” mit Júníus Meyvant!
Bislang hat Júníus Meyvant eine EP mit vier Songs veröffentlicht. Er kommt am 31. Januar nach München ins Ampere/Muffatwerke, spielt außerdem weitere Konzerte in Wien und Innsbruck.
Sóley
Dagegen gehört Sóley Stefánsdóttir bereits zu den isländischen Künstlerinnen, die auch schon außerhalb der Insel auf sich aufmerksam gemacht haben. Nachdem sie zunächst als Keyboarderin und Gitarristin bei der isländischen Indie-Folk-Band seabear spielte, startete sie 2010 mit der EP “Theater Island” ihre Solokarriere, die sie mit dem Debut-Album “We sink” und dem in diesem Jahr erschienenen Nachfolger “Ask the deep” schon auf Bühnen überall auf dem Planeten geführt hat. Zwischen den beiden Alben war mit “Krómantík” außerdem noch Zeit für eine weitere EP. In dieser Zeit hat sich ihr Sound einigermaßen gewandelt. Das Piano tritt auf “Ask the deep” stärker in den Hintergrund, die Arrangements sind hingegen aufwändiger. Wie zum Beispiel beim Song “I will never”, der von düsteren Orgelklängen getragen wird. Apropos düster. Waren schon die Lyrics auf Sóleys ersten Werken tiefgründig und aufwühlend, dringt sie mit ihrem neuen Album noch tiefer ein in bedrohliche (Alp-) Traumwelten, in welcher sich der Konflikt mit inneren Dämonen als roter Faden durch die insgesamt zehn Songs zieht. Dabei erzeugt ihre wundervolle, warme Stimme einen schizophrenen, schaurig-schönen Kontrast zu den bedrohlichen Texten. Sóley ist besonders Live ein großartiges, fesselndes Erlebnis und dürfte die Allerwenigsten unberührt nach dem Konzert in die Dunkelheit verschwinden lassen. In Deutschland ist Sóley in diesem Jahr noch auf vier Konzerten zu bewundern. Vom 6. bis 9. Dezember spielt sie in Leipzig, Freiburg, Heidelberg und Erlangen. Und auch in Salzburg und Linz (am 2. und 3. Dezember) könnt ihr euch von ihr in den Bann ziehen lassen.
Vök
Elektrisierend ist auch das Trio Vök aus Hafnarfjörður, einem Vorort Reykjavíks. Hier treffen sphärische Gitarren auf elektronische Beats und Synthiesounds aber auch - und das hebt Vök’s Sound ganz besonders von stilistisch verwandten Künstlern wie The xx oder The Acid ab - auf ein Saxophon. Heraus kommen wunderbar entspannte, träumerische Songs wie “Before” oder “Circles”. Aber auch isländische Lyrics haucht Margrét Rán Magnúsdóttir mit ihrer hellen, manchmal zerbrechlichen wirkenden, jedoch gleichzeitig starken Stimme ins Mikrophon. Wie im Song “Á ný”, welcher zudem mit sehr schönen Akzenten einer Akkustikgitarre aufwartet. Bisher veröffentlicht haben die Gewinner des Nachwuchswettbewerbs Icelandic Music Experiment 2013, damals noch als Duo, zwei EPs, “Tension” und “Circles”. Vök ist wie eine Fahrt entlang einsamer, abgelegener Straßen durch großartige Landschaften, im weichen Licht der unendlich erscheinenden Dämmerung eines isländischen Wintertages. Man wird gefesselt von der Schönheit und Ruhe dessen, was einen umgibt. Bewundern könnt ihr Vök auf drei Konzerten in Berlin, Hamburg und Köln am 3., 4. und 5. März 2016.
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